Die Seiffener Bergkirche
Gab es vor der jetzigen Kirche schon ein Gotteshaus in Seiffen?
Wie wir schon erfahren haben, waren die Zisterzienser-Mönche, die ersten Bergleute von Seiffen, Christen. Ganz regelmäßig haben sie gebetet und gesungen. Vielleicht hatten sie zunächst, wie wirs im Bild unten sehen, einen kleinen Altar dabei, den man transportieren konnte. Vielleicht haben sie auch bald eine kleine Kirche aus Holz gebaut. Wir wissen aber nicht genau, wo sie stand und wie sie aussah. Sicher ist nur, daß es schon im 16. Jahrhundert, also vor fast 500 Jahren unseren heutigen Friedhof gab.
Erste sichere Hinweise auf eine Kirche haben wir aber erst aus der Zeit um 1560/70. Von 1560 stammt der älteste Abendmahlskelch unserer Kirche und aus der Zeit um 1570 gibt es ein Stück bemalte Fensterscheibe der ersten Seiffener Kirche, das heute in Freiberg im Stadt- und Bergbaumuseum aufbewahrt wird.
Wie sah die Kirche aus? Sie hatte einen rechteckigen Grundriß, das Dach trug einen sogenannten Dachreiter, also einen kleinen Turm, in dem auch die Glocken hingen. Mehrfach wurde an der Kirche gebaut, z. B. mußte 1676, 1686 und 1730 der Dachreiter repariert werden. Sicher ist, daß die alte Kirche hauptsächlich zu Beerdigungsgottesdiensten und zu besonderen Gottesdiensten der Bergleute genutzt wurde.
Das waren die sogenannten Quartalsgottesdienste. Sie wurden in Seiffen meist im Mai, Juli, Oktober und Januar gehalten. In diesen Gottesdiensten wurde natürlich genau wie heute aus der Bibel gelesen und gepredigt, gebetet und gesungen und das Abendmahl gefeiert. Sie waren aber außerdem verbunden mit einem Bericht der Steiger über ihre Arbeit und mit Belehrungen zum Arbeitsschutz und zum ordentlichen Leben der Bergleute. Die normalen Gottesdienste für die Seiffener fanden aber in der Kirche in Neuhausen statt. Der Pfarrer von Neuhausen betreute auch Seiffen. |
Was sich vom Bau unserer Kirche berichten läßt...
Wie in einem Brief von Seiffener Bürgern vom 22. November 1773 zu lesen ist, war damals die alte Kirche wieder einmal so baufällig, daß die Leute bei jedem Sturm Angst hatten, sie könnte einstürzen. Die Wände waren aufgerissen und der Dachreiter, der auch die Glocken trug, drohte herunterzufallen. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der fast im ganzen Erzgebirge große Not herrschte. In den Jahren 1770 bis 1772 war einmal wegen Trockenheit und dann wegen viel Regens die Getreideernte zwei Jahre hintereinander ganz gering ausgefallen. Es gab wenig Getreide zu kaufen und deshalb wurde es immer teuerer. Das bedeutete: Auch das Brot kostete immer mehr, im Herbst 1772 war ein Brot mehr als 10 Mal so teuer wie 1770. Also versuchten sich die Leute von irgendwelchen Kräutern und Wurzeln zu ernähren, manche probierten sogar, aus Sägespänen Brot herzustellen. Bald wurden überall im Erzgebirge viele Menschen krank. Allein 1772 starben in den Dörfern Neuhausen, Seiffen mit Heidelberg, Deutschneudorf und Deutscheinsiedel, die vom Neuhausener Pfarrer betreut wurden, 264 Menschen (in "normalen" Jahren waren es etwa 50).
Nur wenige Monate nachdem diese schlimme Zeit ausgestanden war, wenden sich einige Seiffener Männer in diesem Brief an Adam Rudolph von Schönberg. Das war der Mann, der damals vom Schloß Purschenstein aus unser Gebiet regierte. Sie bitten ihn um Hilfe. Er sagt seine Unterstützung zu und bittet um eine Kostenaufstellung. Diese ergibt einen Betrag von 899 Talern und wird auch bald zusammen mit einer Entwurfszeichnung dem Herrn von Schönberg vorgelegt. Adam Rudolph von Schönberg setzt sich ein, und so kann am 5. August 1774 ein Bericht mit dem Bauantrag nach Dresden an die oberste Kirchenverwaltung gehen. Fleißig wird in der Gemeinde und auch in vielen anderen Dörfern und Städten Geld gesammelt. Sieben Monate brauchen die Herren in Dresden, um über den Antrag zu entscheiden. Immerhin - am 10. März 1775 wird vom Oberkonsistorium in Dresden, also von der obersten Kirchenverwaltung in Sachsen, die Baugenehmigung erteilt, was aber die Seiffener wiederum erst ein halbes Jahr später am 13. Oktober 1775 erfahren.
Die Seiffener, Heidelberger und Niederseiffenbacher Fuhrleute haben die Winter inzwischen schon dazu genutzt, mit Pferdeschlitten Steine an die Kirche zu fahren. Dabei gab es auch schon Streit, weil die Heidelberger und Niederseiffenbacher weniger tätig waren als die Seiffener. Doch für den 16. April 1776 bestellt Adam Rudolph von Schönberg die Ortsrichter, Gerichtsbeisitzer (Schöppen) und Kirchvorsteher von Seiffen, Heidelberg und Niederseiffenbach zu sich ins Schloß Purschenstein. Was sie dort erfahren haben, können wir bis heute in einem von ihm unterschriebenen Schriftstück nachlesen: Als erstes findet er, daß der von den Seiffenern vorgelegte Entwurf für die neue Kirche "mit wenig Geschicklichkeit und ohne Geschmack abgefaßt und entworfen ist". Darum hat er eine andere Bauzeichnung anfertigen lassen. Nach dieser Zeichnung soll die neue Kirche nun gebaut werden.
Erst zum Schluß steht zu lesen, wer diese Bauzeichnung angefertigt hat: Es ist der Zimmermeister Christian Gotthelf Reuther, der in Kreischa bei Dresden wohnte. Er lebte von 1742 bis 1795 und stand schon längere Zeit im Dienst des Herrn von Schönberg. Er hatte ihm schon beim Umbau seines Schlosses in Reichstädt viel geholfen. So weit wir aber wissen, ist der Entwurf zur Seiffener Kirche sein erster eigener Kirchenbau gewesen. Zehn Jahre später ist er entscheidend am Bau der Kirche in Lohmen in der Sächsischen Schweiz beteiligt.
Doch zurück zum 16. April 1776 auf dem Schloß Purschenstein: Aus dem Protokoll lesen wir auch, wer was zu tun hat und was er dafür bekommt. Christian Gotthelf Reuther und der Maurermeister Weißbach aus Friedebach bei Sayda mit einem Gehalt von 8 bzw. 7 Groschen pro Arbeitstag (etwa dem Doppelten von dem, was ein Seiffener Bergmann erhält) sollen den Bau leiten. Die beiden Kirchvorsteher Hiemann und Preißler aus Seiffen und Heidelberg werden mit einem Festlohn von 25 Talern zu Bauaufsehern bestellt und der Kirchvorsteher Höpfner zum "Bauinspektor". 6 Bauarbeiter sollen am Anfang tätig sein. Und am 6. Mai soll mit dem Abriß der alten Kirche begonnen werden. Tatsächlich läuft der Bau einigermaßen nach Plan: Am 6. Mai 1776 beginnt der Abriß der alten Kirche, dann wird der Grund gegraben (selbstverständlich alles in Handarbeit). Am 6. Juni 1776 erfolgt die feierliche Grundsteinlegung, und bis zum Einbruch des Winters sind die Grundmauern fertiggestellt. Im folgenden Jahr werden die Wände hochgezogen und dann auch das Dach aufgerichtet, so daß vom 14. bis 18. August 1777 das Bauheben gehalten werden konnte. Leider waren die beiden Bauaufseher Hiemann und Preißler so sehr miteinander in Streit geraten, daß sie beide abgelöst werden mußten. Am 25. Juni 1777 wurde Christian Friedrich Einhorn aus Seiffen zum Bauaufseher bestellt wurde. Auch zwischen dem Zimmermeister Reuther und dem Maurermeister Weißbach gab es unterschiedliche Vorstellungen. Während eines Besuches von Adam Rudolph von Schönberg auf der Baustelle am 18. September 1777 gab es verschiedene Spendenzusagen: Der Glashüttenbesitzer Niemetz spendet sämtliches Glas für die Fenster, Pfarrer Flemming aus Neuhausen übernimmt mit Inspektor Pirlitz aus Sayda und Richter Böhme und Müller Kluge aus Deutschneudorf die Kosten für die Holzteile der Fenster. Adam Rudolf von Schönberg stiftet die Turmkugel mit der Wetterfahne, die anderthalb Jahre später, am 13. April 1779, aufgesetzt wird. Im Jahre 1778 erfolgt der Innenausbau, wobei ein Durchzug preußischer Truppen wegen des Bayrischen Erbfolgekrieges durch das Gebiet um Seiffen die Arbeiten zeitweise lahmlegt. Eine Überprüfung der Baukasse am 28. Juli 1779 ergibt, daß bis dahin 1162 Taler, 5 Groschen und 3 Pfennige verbaut wurden und für die Fertigstellung der Kirche noch ca. 300 Taler notwendig sind. Dabei ist noch nicht einmal an die Anschaffung einer Orgel und neuer Glocken gedacht. 200 Taler werden schließlich nach langem Überlegen aus dem Vermögen der Neuhausener Kirchgemeinde entnommen. Das Ausmalen der Kirche wird dem Maler Johann Samuel Rauscher, gebürtig aus Holzhau, übertragen. Dazu wird mit ihm am 2. August 1779 ein Vertrag abgeschlossen. Herr Rauscher verpflichtet sich - nachdem er Proben seiner Mal- und Zeichenkunst abgegeben hat – „das Innere der Kirche in Leimfarbe zu gründen und fein in hellgrau und weiß mit hängenden Lorbeerbändern ... gründen und fein auszuziehen...“ Für seine Arbeit erhält er neben freier Wohnung 60 Taler. Auch das Gerüst wird ihm unentgeltlich gestellt. Am 7. November 1779 kann endlich die Kirche geweiht werden. Dazu kam der Freiberger Superintendent Grundig nach Seiffen. |
Ein Rundgang durch die Kirche
Der Altar mit der Kanzel
Wenn wir in die Kirche kommen, fällt unser Blick zuerst auf den Altar. Altar - das heißt eigentlich "der hohe Platz". Es ist der Tisch, auf dem das Kreuz, die Kerzen und die Blumen stehen und an dem Christen beten, Abendmahl feiern und Gottes Segen empfangen. Zum Altartisch gehört fast immer eine Rückwand, an der sich Bilder oder Schnitzereien befinden. Hier in Seiffen und auch in vielen anderen Kirchen in Sachsen ist das etwas anders: Da ist dort, wo sich sonst das Altarbild befindet, die Kanzel in den Altar eingebaut. Die Kanzel ist der Platz, von wo aus der Pfarrer eine Geschichte der Bibel für die Menschen heute erklärt und ihnen Mut zum Glauben macht, manchmal aber auch Trost weitergibt oder auch vor Gefahren warnt.
Warum hat man damals hier in Seiffen die Kanzel in den Altar eingebaut? Man wollte damit deutlich machen: Mehr als jedes Bild über Gott und Jesus Christus sagen kann, können uns Menschen erzählen, die an ihn glauben, die mit ihm leben.
Jemand hat einmal gesagt: "Die Christen sind die einzige Bibel, die die Welt heute noch liest."
Oben auf dem Altar stehen Gebilde, die aussehen wie Vasen, aus denen Flammen herausschlagen. Sie sollen uns an das Gebet erinnern, das wir hier am Altar halten. So wie die Flammen und der Rauch nach oben steigen, so steigt unser Gebet auf zu Gottes Thron.
Noch weiter oben sehen wir eine Sonne mit einem blauen Dreieck darin. Die Sonne ist ein altes Zeichen für Gott und seine Liebe, mit der er Menschen immer wieder begegnet. Das Dreieck ist der Hinweis darauf, daß uns Gott in dreifacher Weise begegnet: Als Gott der Vater, als Jesus Christus, Gottes Sohn, und als der Heilige Geist, der Tröster und Lebendigmacher. Wenn du ganz genau hinguckst, dann siehst du um das Dreieck herum einen Ring, der oben eine kleine Verdickung hat. Wenn du nun mit dem Fernglas schauen würdest, dann könntest du sehen: Der Ring ist eigentlich eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt. Das erinnert an die Geschichte vom Anfang der Bibel in 1. Mose 3, wo uns berichtet wird, daß die Schlange den Menschen dazu verführt, von einer verbotenen Frucht im Paradiesesgarten zu essen. Damit kommt das Böse in die Welt. - Wenn sich nun die Schlange in den Schwanz beißt, dann ist sie machtlos geworden, dann ist das Böse wieder überwunden.
Ganz sicher hast du auf dem Altartisch auch die Leuchter und das Kreuz entdeckt. Das Kreuz und die kleineren Leuchter wurden 1754 bzw. 1789 von dem aus Seiffen stammenden Zinngießer Christian Heinrich Schneider hergestellt und der Kirche geschenkt. Die zwei großen Leuchter wurden 1801 gekauft. Je nachdem, in welcher Zeit im Jahr du kommst, hängen am Altar und der Kanzel Tücher in unterschiedlichen Farben. Wir nennen sie Paramente. Sie wurden vor fast 50 Jahren von Frauen aus Seiffen selbst gestickt. An den Christusfesten Weihnachten, Ostern und dem Dreieinigkeitsfest (eine Woche nach Pfingsten) hängen die weißen Paramente am Altar, im Advent und in der Fastenzeit zwischen Fastnacht und Karfreitag die lilafarbenen, zu Pfingsten, Kirchweih und Reformationstag die roten, am Karfreitag das schwarze und in der übrigen Zeit die grünen Paramente. Unser Bild zeigt dir das rote Parament mit der Geschichte vom Pelikan, die man sich in alter Zeit erzählte: Eine Pelikanmutter geriet einst in die schlimme Not, daß sie ihre Jungen nicht mehr mit Futter versorgen konnte. Deshalb soll sie sich die Brust aufgehackt und ihre Jungen mit ihrem Herzblut ernährt haben. Das ist sicher nur eine Geschichte. Wahr aber ist, das Gott für uns gewissermaßen sein Herz geöffnet hat und uns sein Liebstes gab: seinen Sohn Jesus Christus. |
Das große Kreuz
Gleich neben dem Altar befindet sich ein großes Kreuz. Fast kann man erschrecken: Denn man sieht, daß der Schnitzer auch das Blut mit dargestellt hat, das Jesus aus den Wunden an Händen und Füßen und an der Seite unterhalb der Rippen herausfließt. Diese Kreuz erinnert uns zuerst daran, daß Jesus Christus vor fast 2000 Jahren an einem Freitag im Frühjahr des Jahres 30 unschuldig eine der grausamsten Todesstrafen, die Menschen sich je ausgedacht haben, erleiden mußte. Kreuzigung - das bedeutete auf qualvolle Weise ersticken oder verdursten zu müssen. Für uns Christen ist aber klar: Jesus Christus hat damit die Strafe erlitten, die wir Menschen verdient hätten. Er teilt unser Leid und unsere Angst, unsere Schmerzen.
Diese Botschaft, diese Erklärung des Kreuzes kann man seit 1959 unter der Kanzel der Seiffener Kirche in den Worten aus Jesaja 53 lesen: "Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen, die Strafe liegt auf ihm auf das wir Frieden hätten und durch seine Wunden sind wir geheilt."
Wir wissen nicht genau, wann dieses große Kreuz in der Seiffener Kirche entstanden ist, vielleicht in einer Zeit der Pest im Nachbarland Böhmen, als die Angst in den Dörfern Sachsens umging, daß die Krankheit auch hierher kommen könnte? Vielleicht in einer Hungersnot? Oder gar schon im Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648, als auch in Seiffen viele Menschen, die wegen ihres evangelischen Glaubens vertrieben wurden, Zuflucht fanden?
Ganz sicher aber ist: Der Meister, der es hergestellt hat, der wußte: Jesus Christus hat für uns gelitten, darum bin ich in meinem Leiden und in meiner Angst nicht mehr allein. Und Jesus Christus ist am Ostermorgen auferstanden - darauf verweist die Sonne über dem Kopf von Jesus. Er ist der Sieger über Leiden und Tod. Deshalb kann ich mich an ihn halten. |
Die Beichtstühle
Links und rechts vom Altar stehen unten kleine verglaste Einbauten. Das sind evangelische Beichtstübchen. Sie waren einmal dazu gedacht, daß sich Leute darin mit dem Pfarrer über ihr Leben und besonders über das, was sie verkehrt gemacht hatten, was sie bedrückte, unterhalten konnten. Im Auftrag von Gott sprach ihnen der Pfarrer dann die Vergebung zu und gab vielleicht auch manchen Rat für‘s Leben. Bis vor ungefähr hundert Jahren saß der Pfarrer vor jedem Gottesdienst bereit, um Beichte zu hören. Dann geriet das mehr und mehr in Vergessenheit. So wurden die Beichtstühle nicht mehr genutzt und zu Abstellräumen umgebaut, das ist - so finde ich - zwar schade, aber die Beichte gibt es trotzdem noch: du kannst bei Gott Dinge, die dich belasten, abstellen, in dem du sie ihm einfach sagst und ihn um Hilfe bittest. Oft ist es dazu gut, daß du dein Leben auch mit einem anderen Christen besprichst, der dann auch mit dir betet und dir Mut zusprichst. Jeder Pfarrer ist (genauso wie der Arzt) streng dazu verpflichtet, alles das, was du ihm im Gespräch anvertraust, keinem Menschen weiterzuerzählen. Wenn du mit mir reden willst, dann ruf mich an! Die Telefonnummer von deinem Pfarrer findest du im Telefonbuch unter "Kirchen/Religionsgemeinschaften".
|
Der Taufstein
Unser Taufstein (oder besser: Taufständer) stammt von 1790. Im Neuhausener Kirchenbuch heißt es für das Jahr 1790: „Johann Gottlieb Reichelt zu Oberlochmühle verehret der Kirchen einen neuen schönen Taufstein.“
Er ist aus Holz geschnitzt, bemalt und vergoldet. In ihm sind (fast) alle Farben, die in der Kirche vorkommen, vereint: weiß, grau, grün und goldfarben. Meist trägt der Taufstein seinen Deckel. Schon oft habe ich darüber nachgedacht, was das für eine Frucht auf dem Deckel ist und was sie zu bedeuten hat. Manche meinen, es sei eine Artischocke, die in der Barockzeit als das Symbol neuen Lebens gilt. Vielleicht will diese geheimnisvolle Frucht aber auch sagen: "Lebe aus deiner Taufe, lasse daraus die Früchte des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung wachsen."
Seit 1879 gehört zum Taufstein eine Messingschale, in die das Taufwasser gegossen wird. An diesem Taufstein sind schon mindestens 5000 Kinder und Erwachsene getauft worden. Leider waren es in früheren Zeiten mehr als heute. Früher wurden die Kinder meist schon im Alter von wenigen Tagen, nicht selten noch am Tag der Geburt zur Taufe gebracht. Die Eltern wollten ihre Kinder damals von Anfang an Gott anvertrauen.
Weil es mir so wichtig war, daß meine Kinder immer unter Gottes Schutz und Fürsorge stehen, habe ich das auch so getan. Ich möchte dir auch Mut machen, wenn du einmal groß bist und selber Kinder hast, sie bald zur Taufe zu bringen.
Die Glasleuchter
Vielen Besuchern unserer Kirche fallen sie erst auf dem zweiten Blick auf: Die vier prächtigen Glasleuchter in unserer Kirche. Der älteste dieser Leuchter hängt über dem Taufstein. Er ist wahrscheinlich um 1670 in der Seiffener Glashütte gefertigt worden, die damals zu den berühmtesten in ganz Sachsen gehörte. 1779 jedenfalls wird uns in der Kirchenrechnung berichtet, daß 5 Groschen ausgegeben wurden, um "den großen Hauptleuchter in der Kirche zu scheuern und auszuputzen, da er wohl in 100 Jahren nicht kann gescheuert worden sein, als er in die neue Kirche aufgehangen worden...„
Um 1843 wurden in den damals teilweise defekten Leuchter Teile eines anderen ebenso alten Leuchters eingefügt, so daß unser heutiger Leuchter eigentlich aus zwei alten Leuchtern besteht.
Besonders genau angeschaut haben sich diesen Leuchter die Seiffener Holzdrechsler. Sie haben sehr oft Holzleuchter hergestellt, die genau die gleiche Form haben wie der Glasleuchter, aber bunt bemalt und oft vergoldet sind. Wegen ihrer acht geschwungenen Arme, die ein bißchen an Spinnenbeine erinnern, nennt man sie die Seiffener Spinnen.
Die anderen drei Leuchter der Kirche wurden der Gemeinde 1784, 1815 und 1884 geschenkt. Sie sind in unserem Nachbarland Böhmen gefertigt. Der jüngste Leuchter hängt vor der Orgel und wurde 1884 vom Seiffener Männerchor bezahlt.
Im nebenstehenden Bild kannst du in die Werkstatt eines Glasmachers schauen.
Die Orgel
Zuerst gab es in unserer Kirche gar keine Orgel. Die Dorfmusiker, die sonst auch zum Tanz aufspielten, begleiteten zu den Berggottesdiensten den Gemeindegesang mit Hörnern und Posaunen. Erst 1798 konnte man für insgesamt 207 Taler eine ganz kleine alte, gebrauchte Orgel kaufen, die ein Orgelbauer aus Geising in der Kirche aufstellte. Sie war eigentlich für die Kirche zu klein und zu schwach, man hörte sie kaum, wenn die Leute die Lieder im Gottesdienst sangen. So faßte man 1872 den Entschluß, eine neue Orgel bauen zu lassen.
In einer großen Zeitung wurde damals bekanntgegeben, daß in Seiffen eine neue Orgel zu bauen ist. Viele Orgelbauer aus Sachsen meldeten sich darauf hin: Z. B. Orgelbauer Schmeißer Rochlitz, Jehmlich aus Dresden, Bärmig aus Werdau und viele andere. Den Auftrag aber bekam die Orgelbaufirma Gebrüder Poppe aus Stadtroda in Thüringen. In deren Werkstatt ist die Orgel schon ordentlich vorbereitet, als sie am 2. Juli 1873 in Seiffen eintrifft. In nur 6 Wochen ist sie aufgestellt und gestimmt und kann daraufhin am 14. August 1873 feierlich geweiht werden. Die Gebrüder Poppe erhalten für die Orgel am 15. August 1873 den Betrag von 1088 Talern, wobei von ortsansässigen Handwerkern noch viele Nebenleistungen erbracht werden, die auch noch einmal über 200 Taler kosten. 1913, 1959, 1983 und zuletzt 1999 wird sie gründlich überholt und instandgesetzt. Heute kann man auf ihr auf zwei Handtastenreihen (Manualen) und einer Fußtastenreihe (Pedal) insgesamt 1044 Pfeifen zum Klingen bringen. Diese größte Pfeife ist dabei ungefähr 4,80 m, die kleinste nur etwa 2 cm groß. Die Pfeifenreihen, in denen sie stehen, nennt man auch Register. Die Zahl, die nach jedem Register steht, gibt an, wie groß die größte Pfeife jeweils ist. Dazu wird ein Maß verwendet, das heute nicht mehr gebräuchlich ist, das Fuß. Ein Fuß sind etwa 30 cm.
Dazu erklingt heute noch ein weiteres Register, der Zimbelstern. Das ist der goldene Stern auf der mittleren Pfeife an der Schauseite der Orgel. Mit einem Schalter kann man ihn in Betrieb setzen: Dann dreht er sich und dazu erklingen im Inneren der Orgel drei kleine Glöckchen. Mit solch einem Zimbelstern wollten unsere Vorfahren Freude, besonders die Freude an Weihnachten, aber auch am ewigen Leben zum Ausdruck bringen.
1. Manual (Hauptwerk) | 2. Manual (Oberwerk) | Pedal |
Principal 8' | Hohlflöte 8' | Subbaß 16' |
Bordun 16' | Rohrflöte 4' | Posaunenbaß 16' |
Viola da Gamba 8' | Terzzimbel 3f. | Principalbaß 8' |
Lieblichgedackt 8' | Principal 2' | |
Spitzflöte 4' | ||
Quinte 2 2/3' | ||
Octave 4' | ||
Oktave 2' | ||
Mixtur 2', 4f. | ||
Das Knappschaftskreuz von 1688
Erst seit 1992 hängt es in unserer Kirche, dabei ist es 300 Jahre alt: Das zinnerne Kreuz, das über dem Haupteingang unserer Kirche hängt.
Auf der Rückseite steht, wem es früher gehörte: "Der Bergknappschaft zum Seyffen".
Was verbirgt sich dahinter? Wozu wurde das Kreuz gebraucht?
1686 vereinigten sich Seiffener Bergleute zu einer Knappschaft, einer Vereinigung, in der sie sich gegenseitig helfen und unterstützen wollten. Einmal im Jahr, zur Fastnacht, hielten sie gemeinsam ein Essen ab, bei dem sie sich über ihre Sorgen und Probleme austauschten, aber auch Spiele machten und sangen. Ein sehr wichtiges Anliegen war ihnen aber auch, wenn ein Bergmann verstorben war, eine würdige Beerdigung zu ermöglichen. In schwarzen Mänteln nahmen die Bergleute daran teil, einige trugen den Sarg. Über den Sarg wurde ein großes Tuch gelegt und oben darauf lag dieses Kreuz.
So wurde dann der Sarg vom Trauerhaus, in dem der Tote gestorben war, zum Friedhof getragen. Das Kreuz der Bergknappschaft auf dem Sarg sollte deutlich machen: Hier geht einer von uns, einer aus der Knappschaft, seinen letzten Weg, er macht, wie die Bergleute sagten, seine "letzte Schicht". Das Kreuz auf dem Sarg wollte aber auch sagen: Hier ist jemand im Vertrauen auf Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, gestorben. Wer im Leben auf ihn vertraut, der hat ihn auch im Tod bei sich und über sich. Er kann darauf hoffen, daß Jesus Christus auch ihm zugesagt hat: "Ich lebe und ihr sollt auch leben." (Joh. 14, 19)
Aus einer alten Aufstellung, die bis heute im Bergarchiv in Freiberg liegt, können wir nachlesen, was die Bergknappschaft damals für das Kreuz ausgegeben hat: 3 Taler und 4 Groschen für den Kauf selbst, 1 Taler 12 Groschen für die Bemalung und Vergoldung und 7 Groschen für den Transport nach Freiberg, der dazu erforderlich war.
Lange war dieses Kreuz verschwunden. Niemand wußte, daß es noch da war, geschweige denn, wo es lag. Das änderte sich erst 1991. Da beobachtete ein Seiffener ein Auto, um das Jugendliche aufgeregt herumsprangen. Als sie für einen Moment weggingen, schaute er ins Auto hinein und sah darin eben dieses Kreuz liegen. Sofort war ihm klar: Er mußte das Auto erst einmal an der Weiterfahrt hindern. Deshalb ließ er aus allen vier Reifen die Luft heraus. Dann nahm er das Kreuz mit. Später erklärten die Jugendlichen, sie hätten das Kreuz auf dem Müll gefunden und wollten es an holländische Antiquitätenhändler verkaufen. Doch daraus wurde nichts! Sie bekamen 100 D-Mark als kleinen Trost. Das Kreuz konnte restauriert werden und hängt nun seit 1992 in unserer Kirche. |
Das Wappen des Bergamts
An den beiden Seitenemporen der Kirche links und rechts vom Altar befinden sich zwei Wappen. Mit Blick zum Altar rechts sieht man das Wappen der Familie von Schönberg, die unser Gebiet von 1389 bis Mitte des 19. Jahrhunderts regierte. Es zeigt Teile einer Ritterrüstung und mittendrin den rot-grünen Löwen. Der Löwe ist dabei immer ein Zeichen kluger und gerechter Herrschaft. Zu den Farben Rot und Grün gibt es die Sage, daß vor langer Zeit ein Mann aus der Familie Schönberg bei einem Kreuzzug nach Israel von einem Löwen überfallen worden ist. Nach langem Kampf konnte er ihn besiegen und in ein Gewässer werfen. Als er ihn herauszog, sei der Löwe zur Hälfte mit Meerlinsen (Wasserpflanzen) bedeckt gewesen. Das ist eine schön Geschichte. Ich könnte mir aber auch vorstellen, daß rot und grün ein Hinweis auf die Nachbarschaft zwischen Sachsen und Böhmen sind. Grün ist ja die Farbe Sachsens, rot die Farbe Böhmens.
Allerdings hatten in der verglasten Empore auf der rechten Seite nicht die Herren von Schönberg selbst ihren Platz, sondern die Verwalter der Glashütte. Noch 1887 beschreibt uns in einem Brief einer der letzten Verwalter der Glashütte, wieviel ihm dieser Platz im Gottesdienst bedeutet hat.
Auf der linken Seite befindet sich ein ähnliches Wappen, diesmal allerdings von zwei Bergleuten in schwarzer Tracht gehalten. Es ist das Wappen des Seiffener Bergamts, das bis 1849 den Bergbau hier verwaltete. Einfache Rechts-angelegenheiten, wie etwa die Mutung (das Recht, ein Bergwerk zu beginnen) oder den Verkauf eines Bergwerks, wurden hier verhandelt und in das Bergamtsbuch eingetragen. Von 1685 an können wir in diesem alten dicken Buch, das ebenfalls im Freiberger Bergarchiv aufbewahrt wird, nachlesen, wer zu welcher Zeit was in Seiffen im Bergbau unternommen hat. Sorgfältig haben es die alten Seiffener Bergmeister aufgeschrieben.
Im Gottesdienst hatten der Bergmeister und wohl auch seine Schreiber in dieser verglasten Empore mit dem Wappen ihren Platz. Eines geben wir aber ehrlich zu: Das Seiffener Bergamt war immer das kleinste und ärmste in Sachsen, weil hier nur Zinn und nicht das teure Silber gefunden wurde. |
Das Achteck
Wenn man in der Kirche nach oben schaut, sieht man das, was unten abgebildet ist: Die Rosette an der Decke unserer Kirche. Durch das Loch in der Mitte wird das Seil und die Zuleitung für den Adventsstern und den Adventskranz heruntergelassen. Zugleich erkennen wir in der Rosette auch besonders gut den Grundriß unserer Kirche, das regelmäßige Achteck. Obwohl unsere Kirche manchmal als Rundkirche bezeichnet wird: Eigentlich ist sie achteckig.
Die Zahl Acht war in alter Zeit das Sinnbild für Gottes Zeit, für die Ewigkeit. Sieben Tage hat die Woche, das ist unser Zeitmaß, was aber über die Sieben hinausgeht, eben die Acht, das ist Gottes Maß. Der achte Tag gilt als der Auferstehungstag von Jesus.
Deshalb hat man schon in alter Zeit bestimmte Kirchen achteckig gebaut, so z. B. die Kirche in Ravenna, die Taufkapelle neben dem berühmten schiefen Turm von Pisa (beide Orte in Italien), die Pfalzkapelle im Dom zu Aachen. Und auch in der Dresdener Frauenkirche, die ja ein wenig das große Vorbild unserer Kirche ist, wird die Kuppel von acht Säulen getragen.
Die Glocken
Auch wenn man sie meist nicht sieht: Sie gehören zu jeder Kirche dazu – die Glocken. Vor und nach jedem Gottesdienst, aber auch drei Mal an jedem Wochentag lassen sie ihren Ton weithin erklingen. Glockengeläut ist nicht einfach Lärm. Jedes Glockenläuten will zum Gebet einladen. Wenigstens das Vaterunser soll jeder Christ beten, wenn er die Glocken läuten hört. Je größer und schwerer eine Glocke ist, desto tiefer ist der Ton, den sie von sich gibt. Normalerweise ist eine Glocke aus Bronze, eine Mischung aus 78 % Kupfer und 22 % Zinn.
Die Glocken, die heute von unserer Kirche erklingen, sind schon die vierten, die auf dem Turm ihren Platz fanden. 1779 wurden zunächst die sehr kleinen Glocken der alten Kirche übernommen, bis 1790 neue Glocken gegossen werden konnten. Auch sie waren noch sehr bescheiden, sie wogen zusammen nur 200 kg. 1849 zerbrach beim Läuten am Karfreitag die große Glocke. Noch im gleichen Jahr konnte die Kirche ein neues Geläut bekommen, dessen Glocken immerhin schon 747 kg wogen.
Leider mußte die beiden größeren Glocken 1917 abgenommen werden. Sie wurden eingeschmolzen und das Material für die Herstellung von Waffen für den Ersten Weltkrieg mißbraucht. Bis 1920 wurde nur noch mit der kleinen Glocke geläutet.
1920 schenkte dann der Fabrikbesitzer Theodor Morgenstern der Kirche drei neue Glocken, die bis heute läuten. Sie erklingen auf den Tönen h - d - e und wurden 1919 in Bochum gegossen. Sie wiegen 340, 230 und 145 kg, (zusammen also 715 kg), ihr unterer Durchmesser beträgt 910, 798 bzw. 680 mm. Sie kosteten 3575 Mark. Ihr Nachteil ist, daß sie nicht aus Bronze, sondern aus Gußstahl bestehen.
Während Bronzeglocken viele Jahrhunderte halten, fangen Stahl- und Eisengußglocken nach etwa 80 bis 100 Jahren von innen stark zu rosten an und können sogar zerspringen. Das heißt: Irgendwann in den nächsten Jahren brauchen wir neue Glocken. Eines ist noch zu berichten: Die alte kleine Glocke unserer Kirche, die 1849 mitgegossen und als einzige den Ersten Weltkrieg überdauerte, stand noch einige Jahrzehnte auf dem Kirchenboden. Seit 1957 läutet sie in Lauterbach bei Marienberg auf dem kleinen Turm der alten Wehrkirche. Dort kann man sie bis heute hören. |
Die Wetterfahne und das Turmkreuz
Schauen wir fast am Schluß unseres Büchleins noch einmal ganz hoch hinauf zur Wetterfahne und zum Turmkreuz.
In der Wetterfahne erkennen wir noch einmal das Wappen der Familie von Schönberg. Dabei wollen wir besonders an den Mann denken, der viel zum Bau der Kirche beigetragen hat und auch diese Wetterfahne geschenkt hat: Adam Rudolph von Schönberg. Er gab damals 1776 das Startzeichen zum Bau der Kirche, er bestimmte Christian Gotthelf Reuther als Baumeister und er bestimmte wohl auch, daß die Kirche im Grundriß des Achtecks gebaut wurde. Sicher hatte er dabei eine Kirche vor Augen, die er gut kannte und die wir kennen: Die Dresdener Frauenkirche, die unschwer als das große Vorbild unserer Kirche zu erkennen ist.
Adam Rudolph von Schönberg wurde 1712 geboren, wirkte außer auf dem Schloß Purschenstein auch in Reichstädt und Dresden, wo er das Amt des sächsischen Postmeisters bekleidete. Leider war er nicht verheiratet und hatte keine Kinder.
1795 starb er im Alter von 82 Jahren in Dresden. Er wurde auf dem Schloß Reichstädt begraben.
Der Bergmann auf der Wetterfahne soll natürlich daran erinnern, daß unser Ort seine Entstehung dem Bergbau verdankt und unsere Kirche zuerst den Bergleuten diente. Deshalb wird sie ja auch Bergkirche genannt.
Ganz oben aber steht ein vergoldetes Kreuz. An seiner höchsten Stelle (34 m über dem Erdboden) erinnert es jeden, der auf die Kirche blickt, an den, der hier Herr ist: Jesus Christus, der am Kreuz gestorben und an Ostern auferstanden ist. Wir Christen glauben ganz fest: Er lebt bis heute und er wird auch in Zukunft da sein, für immer und ewig. Er hat uns zugesagt: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
Weil das wahr ist, deshalb gibt es die Seiffener Kirche. Und wir, der Pfarrer und der Bergmeister, hoffen und wünschen zusammen mit vielen anderen, daß es auch in Zukunft hier in unserer Kirche um die „Ehre Gottes und das Heil der Menschen“ geht, wie wir es über dem Haupteingang lesen können.
Wir bedanken uns recht herzlich bei der Kirche in Seiffen, insbesondere Herrn Pfarrer Michael Harzer und Herrn Bergmeister Günther Zielke, für die zur Verfügungstellung von Bild- und Textmaterial. Wenn Sie nähere Informationen über die Kirche in Seiffen erhalten möchten, so empfehlen wir Ihnen einen Besuch der Hompage www.bergkirche-seiffen.de/. |